"Mit der Bauordnungsnovelle 1994 ist eine ordnungspolitische Grundentscheidung gefallen: weg vom etablierten Betreuungsdenken - hin zu einer neuen Verantwortlichkeit des mündigen Bürgers. Im Mittelpunkt der damit eingeleiteten Bauordnungsreform steht der Abschied vom herkömmlichen Verständnis der Baugenehmigung als einer umfassenden öffentlich-rechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung, die in einem perfektionierten Verfahren dem Bauherrn die Übereinstimmung seines Bauvorhabens mit allen erdenklichen Anforderungen bescheinigt und ihm so - genehmigungstreues Bauen vorausgesetzt - umfassende Rechts- und Investitionssicherheit (Rechtssicherheit, Investitionssicherheit) vermittelt - freilich um den Preis nicht selten langwieriger und aufwendiger Verfahren. "
(siehe auch:
)
Im Regelfall, also den Ein- und Mehrfamilienwohnhäusern, die in einem Gebiet mit einem qualifizierten Bebauungsplan liegen, braucht man nicht mehr monatelang auf die Baugenehmigung zu warten, sondern man geht zu einem Entwurfsverfasser und kann dann gleich mit dem Bau loslegen. Bis hierher eine prima Sache für den Bürger, und der Staat spart auch noch einen großen Teil seiner Verwaltung ein.
Ganz anders sieht die Sache allerdings aus, wenn es zu schwerwiegenden Baumängeln kommt. Vor der Reform informierte man das Bauamt und das verhängte notfalls einen Baustopp bis die Mängel beseitigt waren. Heute bekommt man in Bayern dagegen folgendes vom Bauamt zu hören, selbst wenn wie in meinem Fall schwerwiegende Brandschutzmängel vorliegen und die neue Wärmeschutzverordnung in keinster Weise beachtet wurde: "Tja, das müssen Sie jetzt hier in Bayern privatrechtlich selbst regeln. " Wer jemals diesen Weg über die Gerichte gegangen ist, weiß was da dann auf ihn zukommt: Jahrelang sich hinziehende Verfahren, die an den Nerven zehren und jede Menge Anwalts- und Gutachterkosten (Anwaltskosten, Gutachterkosten) verschlingen. Wie sehnt man sich da wieder die alte Bauordnung zurück, von der Beckstein treffend sagte: " ... die in einem perfektionierten Verfahren dem Bauherrn die Übereinstimmung seines Bauvorhabens mit allen erdenklichen Anforderungen bescheinigt und ihm so umfassende Rechts- und Investitionssicherheit (Rechtssicherheit, Investitionssicherheit) vermittelt. "
Die Baufirmen wissen dabei in Bayern ganz genau, dass sie im Grunde überhaupt nicht mehr kontrolliert werden - und handeln entsprechend. Der ruinöse Wettbewerb auf dem Bausektor tut dabei sein übriges. In meiner Gegend ist in manchen Landkreisen der Bau eines identischen Supermarktes 20.000-30.000 DM teurer als in anderen Landkreisen. Der Grund dafür ist, dass manche Bauämter von sich aus noch etwas mehr auf den Brandschutz achten als andere. Die Firmen wissen das und lassen da, wo nicht kontrolliert wird einige der teuren Brandschutzeinrichtungen einfach weg.
Darüber hinaus bietet diese neue Verordnung in Bayern einen guten Nährboden für Firmen, die nur die schnelle Mark machen wollen. Jeder kann ohne weiteres, d.h. ohne jegliche Qualifikation oder Vorkenntnisse, eine Baufirma eröffnen, lässt sich von einem Architekten einen Plan unterschreiben und fängt an 12 Familienwohnhäuser zu bauen und die Wohnungen dann zu verkaufen. Was er da zusammenbaut, interessiert im Grunde keinen mehr.
Ich bin leider auf solch einen Bauträger reingefallen. Von außen sieht alles schön aus, aber hinter die Fassade darf man nicht schauen. Da werden selbst die Wandabschlussfugen der Bodenfliesen mit starrer Fugenmasse verfugt, sodass die Wirkung des schwimmenden Estrichs aufgehoben wird. Wenn man nachfragt, warum die neue Wärmeschutzverordnung nicht eingehalten wurde, bekommt man zur Antwort, dass die hier in Bayern nicht gelte - was im Endeffekt dann gar nicht so verkehrt ist.
Wenn man die Richtung dieser Politik konsequent weiterverfolgt, könnte man eigentlich auch daran denken, etwa die Finanzämter abzuschaffen und die Kontrolle den privaten Steuerbüros zu übertragen. Das wäre dann nach Becksteins Worten ebenfalls ein Weg "weg vom etablierten Betreuungsdenken - hin zu einer neuen Verantwortlichkeit des mündigen Bürgers. " Aber das wird man natürlich nicht machen, weil man sich über die Konsequenzen im klaren ist, doch dieselben Konsequenzen gibt es auch auf dem Bausektor.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Ehlert