Off topic: Zukunft des Handwerks?
BAU-Forum: Probleme im Mittelstand und Handwerk

Off topic: Zukunft des Handwerks?

Diese Woche habe ich etwas erlebt, wozu ich gerne einmal Einschätzungen Dritter lesen würde, weil mir dämmert, dass wir gerade einen erheblichen Umbruch in der Bauwirtschaft erleben:
Frau wollte nun endlich die Pkw-Auffahrt mit Granitpflaster 9/11 ausgelegt haben. Also 3 Angebote ortsansässiger Unternehmen (Berliner Speckgürtel) eingeholt. Beruflich mit ausreichenden Baupreiskenntnissen versehen, beugt Mann sich über Angebote und stellt fest: Ausgeschrieben war zusammengefasst: Auffahrt 4 m x 22 m auskoffern, Aushub seitlich lagern, normgerechten Unterbau herstellen, 22 m Granitborde stellen, Granit 9/11 diagonal nach Mustervorgabe verlegen.
Angeboten wurden für die reine Arbeitsleistung (so ausdrücklich abgefragt) 48  -  55 € netto/m², also ca. 60 € brutto. Ein Blick in die angebotenen Materialpreise zeigt schnell, dass hier die Endverbraucherpreise "frei Baumarkt" um ca. 20  -  30 % beaufschlagt wurden, also in den EP's der Materialpreise Gewinn "versteckt" wurde (Anlieferung wurde separat angeboten).
Nun war Frau das alles plötzlich zu teuer. Sie entdeckt aber in der Wochenendpostille die Anzeige einer "Ich-AG". Ich-AG kommt aus Berlin, misst stundenlang herum, rechnet, grübelt und unterbreitet folgendes lapidar gehaltenes schriftliches Angebot: Ausgeschriebene Leistung bei Materialbeistellung durch Bauherr pauschal komplettotutto 10 €/m² (ZEHN €!) ... Frau begeistert, Mann entsetzt. Auf Nachfrage folgende Antwort: Natürlich mit Rechnung und Umsatzsteuer, müsse ja schon wegen der Prüfung des Arbeitsamtes sein ... Abendliche Diskussion Mann/Frau. Ergebnis: No risk, no fun, also Auftrag. Rückfallebene: Bekannter aus dem Gewerbezweig verspricht, allabendlich vorbeizuschauen und bei Mängeln zu intervenieren. Tag X: Ich-AG fährt vor, holt Spaten und Schaufel aus Kofferraum, beäugt die zwischenzeitlich angelieferten Paletten mit diversen to Granit und die Hügel RC, Kiese, Sande etc. pp.
Arbeitsbeginn Montag, 12.07. : Händisch legt Ich-AG mit dem Auskoffern los, am Zaun ungläubig staunende Nachbarn (HÄNDISCH, also OHNE Maschineneinsatz!). Donnerstagabend, 15.07. : Fläche komplett ausgekoffert. Ab Freitag Herstellung Unterbau, Bauherr muss 120 € geben, weil Ich-AG vom nächsten OBI-Markt fürs Wochenende Rüttelplatte holen will (Materialbeistellung!). Freund kommt jeden Abend, ist entsetzt wg. des Hintergrundwissens (selbst in der Branche tätig), findet zur Sache aber keinen Makel. Die Tage gehen ins Land, am 9. Tag (inkl. Wochenende) abends Fertigstellung und Abnahme. Gegen Rechnung erhält Ich-AG 880 € (88 m² x 10 €). Mann und Ich-AG trinken noch ein Bier und Ich-AG antwortet auf neugierige Nachfrage: "Bis vor kurzem habe ich als Pflasterer 10 Jahre im Akkord auf großen Berliner Baustellen gearbeitet, im Schnitt für ca. 4,50 €/Std. und musste hinter dem Geld noch herrennnen, weil mein Chef der Sub des Sub war ... Was blieb da schon übrig? Also mache ich dasselbe wie früher jetzt als geförderte Ich-AG, habe aber am Monatsende doppelt soviel auf der Hand. " Wer will dieser bestechenden Logik widersprechen? ABER: Wo endet das alles in 5 Jahren? Gibt es dann vielleicht nur noch 1-Mann-Unternehmen, weil die selbst. Meister längst insolvent sind und der Arbeitslosigkeit durch die staatliche Förderung entfliehen? Wäre dies schlicht Marktwirtschaft oder verdammenswert?
PS: Seit ich diese Story herumerzähle, will jeder die Visitenkarte der Ich-AG haben ... und ich erfreue mich an einer wirklich schön geratenen Granitauffahrt.
... und wer glaubt, dies sei eine Geschichte aus dem Wienerwald, dem versichere ich, dass ich mit meinem Ruf dafür stehe ...
  1. lese hier,

    das ist eher die Wirklichkeit
    Estrich-Bodenbeläge/2130
  2. Herzlichen Glückwunsch ...

    Herzlichen Glückwunsch zur gelungenen Auffahrt (und das war wirklich ehrlich gemeint). Aber jetzt kommt das Problem: Sie haben sich der Beihilfe zur Schwarzarbeit schuldig gemacht, wenn dieser Mann keinen Meistertitel hat. Dann durfte er diese Arbeiten aus handwerksrechtlicher Sicht nicht ausführen. Das ist zwar absolut pervers, aber, thats Germany. Wäre dieser Mann in Polen, Litauen oder sonst wo selbständig (egal wie das nun genau geschrieben wird), wäre es sch ... egal. Und da sollte man den Hebel anlegen. SI kommt jetzt natürlich wieder mit seinem großen Befähigungsnachweis, aber den kann er sich meinetwegen auch sonst wo hinhängen ... :-))
  3. Rübe, das ist Geschichte

    Foto von Martin Kempf

    Im Link ist die Liste der Berufe, die keinen Meistertitel mehr erfordern:
  4. Martin, ich weiß nicht, ob ich blind bin ...

    Martin, ich weiß nicht, ob ich blind bin aber den Tiefbauer finde ich nicht auf der Liste. Please be so kind and help me ...
  5. Steinessetzer sind nicht in der Anlage A

    • somit kein großer Befähigungsnachweis notwendig. Auch Martin sein Berufsstand ist knapp an dieser Herabsetzung vorbei geschlittert. Für mich war das bei dem Gefahrenpotential NIE Nachvollziehbar.
  6. Steinsetzer/Pflasterer ...

    Steinsetzer/Pflasterer gehört zum Straßenbauerhandwerk, Anlage A Nr. 5. Anlage B ist ein Ausschlussliste. Dort ist er nicht aufgeführt. Und damit Meistertitel erforderlich.
  7. Oder auch zum Garten und Landschaftsbau.

    Nicht öffentliche Verkehrsflächen. Nicht Anlage A (meine ich)  -  ich habe die blöden Anlage aber nicht zur Hand. Aber auch schon vor Novellierung des Handwerksrecht, wurde das pflastern durch Handwerkähnlichen Betrieben schon geduldet. Nur Werbung hierfür war verboten.
  8. Im Bereich Garten-Landschaftsbau ...

    Im Bereich Garten-Landschaftsbau dann zulässig, wenn diese Arbeiten im Rahmen der Gartengestaltung in Verbindung mit Grünanlagen durchgeführt werden. Reines Pflastern ist nicht erlaubt. Er sollte also mindestens immer noch mal so ein Busch pflanzen ... :-))
  9. und das witzige am Verbleib der Maler

    Foto von Martin Kempf

    in der Liste der Meisterpflichtigen Berufe: nicht etwa weil der Beruf so gefahrgeneigt wäre, nein, sondern weil die Malerbetriebe überdurchschnittlich viele Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen und man Angst hatte, dass dies nach der Freigabe des Berufs eben nicht mehr so sein wird.
  10. Ich AG =

    endlich können die Schwarzarbeiter unter Obhut und mit Förderung des Staates ihr Unwesen treiben. In meinen Augen müssen sich alle Beteiligten den Vorwurf der (Förderung der) Schwarzarbeit und auch der Ausbeutung gefallen lassen.
    Wie kann ich als Auftraggeber ernsthaft einen anscheinend qualifizierten Mann für diesen lächerlichen Satz arbeiten lassen? Jeder Unternehmer würde dafür ernsthaft bestraft, und zu recht. Dem AG muss doch klar sein, das er nur eine Scheinfirma engagiert.
    Der Pflasterer beutet sich selber aus, gefährdet andere Unternehmungen.
    Sein EX Chef gehört auch eingestampft.
    Als regulär arbeitender Unternehmer werden dir doch fast täglich neue Knüppel zwischen die Beine geworfen. Ellenlang ist die Liste der Kammern, Sozialkassen, BGs ... und was weiß ich noch bei denen du Abgaben zahlen darfst. Für die diversen Hilfsdienste für den Staat kannst du bei 5 Mann auf der Baustelle
    eine Arbeitskraft im Büro bezahlen, das sind bei den kleineren Firma zum Glück häufig die mitarbeitenden Ehefrauen. Eigentlich können sich nur "Bekloppte" regulär selbstständig machen.
    Schlussendlich finanzieren auch die regulären Unternehmer mit den diversen Abgaben die schwarzarbeitende Konkurrenz.
    Alle Beteiligten in den dicken Sack und mit dem Knüppel drauf, entschuldigen Sie den harten Tonfall, aber solche Kameraden nehmen mir und meinen Leuten die Arbeit weg.
    Ach so die  -  Abgrenzung zwischen Gala Bau und Straßenbau ist recht schwierig. Innerhalb einer gärtnerisch geprägten Anlage darf der Garten- und Landschaftsbauer (Gartenbauer, Landschaftsbauer) (GaLa-Bauer) nahezu alles. Ich selbst haben neben dem Gewerk GaLaBau auch den Rolleintrag für das Straßenbauerhandwerk und Fliesen- und Plattenlegerhandwerk (vor der Reform).
  11. ot zum ot: ...

    ot zum ot: in Anbetracht eines Artikels in der Zeitung: Caritas und Co wollen jetzt jede Menge 1-€ Jobs schaffen. Natürlich dürfen diese Jobs nicht in Konkurrenz zu regulären Arbeitsplätzen stehen. Man denkt so an Leute die auf die Kinder aufpassen, bis die Eltern sie dann abholen, oder im Pflegebereich. Und jetzt zum Bau: Kein Kran mehr, sondern 20 Kulis, die den Mist per Hand hochschleppen. Wie zu Zeiten des alten Reichsarbeitsdienstes. Sag mal, wo landen wir hier in Deutschland noch?
  12. Zurück zur Handarbeit hat aber Logik

    Bekanntlich hat die Modernisierung der Produktion jede Menge Arbeitskräfte freigesetzt. Parallel dazu sind neue, anspruchsvollere Berufe entstanden, für die die Massen besser ausgebildet sein mussten. Man benötigt heute also mehr Ingenieure und Wissenschaftler, mehr Lehrer und auch mehr Kaufleute und Verwaltungskräfte.
    Aber was wird mit dem Bodensatz von Menschen, die nun mal mit Ach und Krach die Hauptschule geschafft haben, vielleicht nur die Sonderschule für Lernbehinderte (früher "Hilfsschule") besucht haben und eventuell sogar keinen Abschluss haben? Hilfsarbeiter gab es schon immer, früher als Knechte auf dem Bauernhof, dann am Band in der Farbrik. Dank Henry Ford. Aber sonst hätte es ein anderer erfunden, Entwicklung zieht Entwicklung nach sich. Und nun? Es gibt Industrieroboter, bei Fertighäusern werden auch nur noch wenige, dafür qualifizierte Leute benötigt. Also wohin mit den Menschen, dem potentiellen Bodensatz einer reichen Gesellschaft, dem neuen Proletariat?
    Die Parteien versprechen immer publikumsorientiert neue Arbeitsplätze. Na ja, ein paar lassen sich ja sicher schaffen durc h die diskutierte Versuchspolitik (anders mag ich es nicht nennen). Aber das grundsätzliche Problem bleibt! Und am schlimmsten ist freilich die Lehrstellenproblematik. Wenn der Mensch nicht einmal mehr eine Berufsausbildung bekommt ...! Da funktioniert ja bisher auch die Gesellschaft als angebliche Solidargemeinschaft nicht, weil nur noch gerechnet wird, und niemand etwa um seiner Überzeugung willen handelt  -  wenn er denn eine hat. Aber jammern und nur rückwärts blicken wollen und sollen wir ja nicht. Hat nicht mal jemand eine geniale Idee? Aber ach, dem würde ja zu seinen Lebzeiten sowieso nicht geglaubt.
  13. Lehrstellenproblematik ...

    wer will den Lehrlinge ausbilden, die im ersten Lehrjahr so gut wie gar nicht im Betrieb sind. Der Lehrling am Bau kommt der Firma teurer als ein Jungingenieur.
  14. Schule und Betrieb deutlicher trennen?

    Schon klar, dass ein kleiner Betrieb nicht 1 Jahr theoretische Ausbildung finanzieren kann. Meiner Meinung nach sollte der Ausbildungsvertrag zwischen Azubi und Betrieb nur solche Zeiten umfassen, in denen der Azubi auch überwiegend im Betrieb praktisch ausgebildet wird und dabei trainierend auch zunehmend produktive Leistungen erbringt. Nur dieser Zeitabschnitt dürfte vom Betrieb bezahlt werden müssen. Der reine Schulanteil sollte z.B. als 1 Jahr staatliche Berufsgrundbildung laufen und dabei genau wie ein Studium BAföG-fähig sein. Leere Kassen sind bei der Bedeutung der Ausbildung für die Zukunft unserer Gesellschaft eine dumme Ausrede. Es gibt noch genug hanebüchene Geldverschwendung und Förderungen an der falschen Stelle. Die Skandinavier machen seit langem vor, wie es geht. Aber unsere Gesellschaft ist bekanntlich festgefahren in Einzelpositionen und Erbhöfen. In kleineren Ländern mit zentralistischer Regierung und Verwaltung ist das alles natürrlich leichter zu regeln.
    Aber wenn überall Schutthalden im Wege liegen, muss man sie wegräumen  -  wie nach dem Kriege. Da ging es! Heute geht's  -  wohl noch nicht schlecht genug.
  15. Kein Nachwuchs, bald kein Handwerk mehr!

    Kein Nachwuchs, bald kein Handwerk mehr!
  16. Im Hauptbaugewerbe wird solidarisch ausgebildet.

    Das heißt ich bekomme von der SoKo Bau im ersten Lehrjahr 10 Monatsgehälter von denen zurück im zweiten 7 usw. Diese Summen werden Umlage finanziert. Alle Betriebe zahlen ein, auch wenn diese nicht ausbilden. Das passt schon. Nur wer kann ausbilden. Nur Meister  -  oder Ing. mit Zusatzqualifikation. Durch die Zusammenstreichung der Berufe in der Handwerksrolle A wird es aber bald weiniger Meister geben. Wofür sollen die auch zur Schule gehen und lernen wie ein Betrieb geführt wird, wie kalkuliert und ausgebildet wird. Brauen die ja nicht mehr.
  17. Das stimmt ..

    und auf die Antwort habe ich schon gewartet. Aber erst zahlt man bei Soka Bau ein durch die Umlage und später kriegt man das Geld wieder wenn man ausbildet. Ist schon eine Hilfe für ausbildende Betriebe. De Facto gibt es ja im Baugewerbe damit eine Ausbildungsumlage. Aber unterm Strich zahle ich vorher ein, bekomme dann Geld für Lohn für einen Lehrling, den ich in der Zeit in der er nicht im Betrieb ist zahlen kann.
    Bisher habe ich noch nicht ausgebildet. Denke aber verstärkt darüber nach, wegen der o.g. Nachwuchsproblematik.
  18. Schwarzarbeit?

    Nach meinem Wissenstand hat Schwarzarbeit aber nichts mit der Eintragung in eine Handwerksrolle oder mit dem großen Befähigungsausweis zu tun.
    Ich weiß nicht, ob ich als Auftraggeber Probleme bekommen kann wenn es nur darum geht.
  19. Schwarzarbeit ...

    Bei meinem Betrag war ich eim bisschen zornig, daher die vielleicht scharfe Wortwahl. Aber bei den Einnahmen die der Pflasterer erzielt hat, kann er seinen gesetzlichen Abgaben gar nicht nachkommen, wenn er noch etwas zum Leben haben möchte. Falls die mobile Zolltruppe oder das Ordnungsamt Einsicht in die Rechnung beim Kunden nimmt und dort den Rechnungsbetrag erkennt, wird sie sowieso von Schwarzarbeit ausgehen und annehmen das Geld ohne Rechnung gezahlt wurde.

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