Wie krank ist der Bau wirklich? ...
BAU-Forum: Probleme im Mittelstand und Handwerk

Wie krank ist der Bau wirklich? ...

Wie krank ist der Bau wirklich? oder besser gesagt, mal wieder ein schönes Beispiel aus der Praxis: Kunde kommt, irgendwann ist man sich preislich einig, dann geht es an die Zahlungsmodalitäten. 50 % bei Anlieferung des Hauses (natürlich schon inkl. Fundamentarbeiten, Architektenkosten usw.) die restlichen 50 % nach Abnahme (inkl. Heizung/El, usw.). Und es gibt sogar Anbieter die sowas machen, ohne Bankgarantie. Einladung zur Drittelfinanzierung nenne ich sowas. Leute, da fehlt mir das Verständnis, oder was denkt Ihr?
  1. Sind solche Zahlungsmodalitäten ungewöhnlich?

    Wenn ich mir ein neues Auto kaufe, muss ich ja auch nicht die Vorleistungen (Entwicklung, Wareneinkauf, Löhne, ...) der Automobilfirma tragen, sondern erst dann, wenn ich das Auto fix und fertig bekomme und auch nutzen kann.
    Ich kann im Gegensatz dazu Bauherrn nicht verstehen, welche insbesondere bei Bauträgern zuerst das Geld vorstrecken um dann zu hoffen irgendwann mal ein nutzbares Haus dafür zu erhalten. Wenn der Bauträger/Bauunternehmer pleite geht, ist das Geld mit hoher Wahrscheinlichkeit futsch.
    Mein Architekt sagte vor einiger Zeit mal, dass sich vor 10 Jahren die Baufirmen absichern mussten, damit die Bauherrn nicht zahlungsunfähig wurden. Heute wäre es so, dass sich die Bauherrn absichern müssen, dass die Baufirmen nicht zahlungsunfähig werden.
    • Name:
    • Herr Baumann
  2. Immer diese Autovergleiche ... :-(

    Foto von Martin Malangeri

    Hallo Herr Baumann, haben Sie sich schon mal ein Auto für 200.000 € gekauft? Nicht? Ich kann mir gut vorstellen, das sich da die Autokonzerne auch eine Solvenzprüfung des Käufers nicht nehmen lassen werden!
    Die Beträge, die Bauen hin und her geschoben werden, können mitunter für jeden enorm sein, egal ob Bauherr, Bauträger oder ausführender Betrieb. Ich habe in den letzten Jahren Pleiten bei all diesen Gattungen gesehen und entdecke Dienstag und Freitags unter Amtliche Bekanntmachungen in unserem Lokalblatt jedesmal bekannte Figuren und Firmen. Was wäre daran so schwer einen Bauablauf mit sichtbar vorhandener Leistung parallel zu honorieren? 50 % nach Abnahme sieht schwer nach Drittelfinanzierung aus. So sehr es mich ein Auftrag locken würde, an dieser Stelle würde ich ablehnen!
    Mit Grüßen aus Leipzig von
  3. Zahlungen-Sicherung

    In der Branche in der ich arbeite wird größtenteils nur mit Kreditversicherung gearbeitet. Ist der Käufer kreditwürdig erhält er die Leistung auf offene Rechnung, ist er es nicht Vorkasse oder Barzahlung. Also ist eine Besicherung in welcher Form auch immer nicht von Nachteil. Dazu gäbe es ja noch mehrere Varianten, z.B. Bankbürgschaft, Notaranderkonto etc.
    Also einem Bauträger ohne Sicherung 100 T € Anzahlung machen finde ich Riskant, desgleichen einem Kunden ein Haus bauen, der sich vielleicht bei der Finanzierung übernommen hat.
  4. Risiken und Sicherheiten

    Das enorme Risiko für den Unternehmer ist doch vor allem die Tatsache, dass das Gebäude, sobald es steht, Teil des Grundstücks ist und damit dem gehört, der als Besitzer im Grundbuch steht. Wenn dann nicht gezahlt wird, z.B. weil die Bank des Bauherren wegen plötzlicher Arbeitslosigkeit des Bauherren die Auszahlung verweigert, hat der Unternehmer ganz schlechte Karten. Dies betrifft vor allem Fertighäuser. Die stehen mit dem Löwenanteil ihres Gesamtwertes innerhalb von 2 Tagen da, und dann kommt für den Unternehmer 10 (je nach Zahlungsziel) Tage zittern! Deshalb ist es üblich, wenigstens die Rate nach Rohmontage (Außenwände, Dachstuhl, z.T. Innenwände montiert, meist alle übrigen Materialien für Zimmer- und Tischlerarbeiten, manchmal auch die Dachsteine bereits angeliefert), z.B. 70 % beim Ausbauhaus und 75 % beim schlüsselfertigen Haus, per unwideruflicher Bankbürgschaft oder durch Vorauszahlung auf Notaranderkonto zu besichern. Im übrigen verlangt z.B. jeder ausländische Bausatzhersteller vom Importeur/Generalunternehmer wie z.B. von mir ebenfalls eine entsprechende Zahlungssicherheit, oft auch Vorauszahlungen als Projektierungskosten.
    Es ist aber doch möglich, die einzelnen Zahlungsraten vor und nach der Rohbaurate so aufzuteilen, dass jeder damit leben kann, sodass also der Bauherr nicht in Vorleistung tritt bzw. vom jeweils noch nicht gezahlten Geld die restlichen Bauarbeiten könnte, und so, dass der Unternehmer nach Baufortschritt immer soviel Zahlungen erhält (wobei es auf Geschwindigkeit ankommt), dass er ohne Vorfinanzierung die jeweils nächsten Bauschritte vollziehen kann. Dies funktioniert bei gutem Willen und mit dem großen 1X1 recht gut. Und deshalb verstehe ich diese ganzen Diskussionen über solche idiotischen Extreme wie 50 % Anzahlung oder 50 % Vorleistung überhaupt nicht. Es scheint ja wohl so zu sein, dass es immer solche gibt, die übervorteilen wollen, und solche, die übervorteilt werden wollen, und dass sich diese immer irgendwie finden.
    Grüße
    Torsten Stodenberg

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