Wer beauftragt den Sachverständigen?
BAU-Forum: Modernisierung / Sanierung / Bauschäden

Wer beauftragt den Sachverständigen?

Hallo zusammen,
ich beabsichtige einen Sachverständigen für die Begutachtung unseres neugebauten Einfamilienhauses zu beauftragen, da ich
  • diverse Rissbildungen im Putz und Fliesenfugen habe
  • Verfärbungen an Silikonfugen (vereinzelt)
  • Türen nicht mehr gut schließen

etc.
Diese sind bereits beim AN angezeigt, werden aber mit irgendwelchen Simplifizierungen abgetan. In Protokollen festgehaltene Nachbesichtigungstermine werden von Seiten des AN nicht ohne wiederholtes auffordern wahrgenommen. Des weiteren läuft die Gewährleistung ab, und ich als Baulaie sehe mich nicht in der Lage, weitere "versteckte" Mängel zu erkennen.
Im Bauvertrag stellt folgender Text bzgl. Sachverständigen:
"Nicht zwischen AN und AG zu klärende strittige Fragen bei der Beurteilung von schriftlich fixierten Mängeln oder restarbeiten kommen AG und AN schon jetzt überein, sich dem Gutachten eines unabhängigen, vereidigten Sachverständigen zu unterwerfen. Die Kosten tragen AG und AN je zur Hälfte. "
Wie kann ich vorgehen, um einen Sachverständigen zu beauftragen, dessen Ergebnisse im weiteren Verlauf des Streits mit dem AN auch von diesem zwingend anzuerkennen sind.
Vielen Dank für einen Tipp.
MfG
St. H.

  1. Beide!

    Um Ihre Überschrift zu beantworten, wenn im Vertrag : "Die Kosten tragen AG und AN je zur Hälfte" steht, dann muss der SV von beiden Parteien beauftragt werden. An Ihrer Stelle würde ich den SV aussuchen und dem Unternehmer vorschlagen. Wenn der Unternehmer den SV aussucht, dann kann es durchaus sein, dass diese sich untereinander kennen (eigene Erfahrung)
  2. So einfach ist das nicht!

    Hallo Herr Stehe, Hallo Herr Kampa,
    ganz sio einfach ist es nicht! Ich habe mir von einem Baurechtsanwalt erklären lassen müssen, dass eine sog. Schiedsgutachterklausel in einem Mustervertrag unverbindlich ist. Die von Herrn SteHe zitierte Klausel ist also wegen Verstoß gegen AGB-Gesetz nicht verbindlich, d.h. die Gegenseite muss sich nicht dran halten.
    Die aktuelle Rechtsprechung zeigt jedoch folgende Verfahrensweise in diesen Fällen als praktikabel:
    Schreiben sie eine kurze Anfrage (inkl. kurzer Liste der zu begutachtenden Sachverhalte) an ihre IHKAbk. oder Handwerkskammer mit der Bitte um Benennung eines geeigneten Schiedsgutachters. Diese Verfahrensweise teilen Sie Ihrem Auftraggeber mit und verweisen auf die zitierte Vertragsklausel. Sollte der AN darauf nicht reagieren, so sind sie gezwungen den Gutachter allein zu bezahlen. Laden Sie zum Gutachtertermin die Gegenseite fristgerecht ein. Der Sachverständige kann dann trotzdem als Schiedsgutachter angesehen werden, auch wenn Sie ihn allein bezahlen.
    Die Frage ist dann nur, wie kommen Sie zur Kostenrückerstattung der Gutachterkosten? Haben Sie genügend Einbehalt? Oder müssen Sie sowieso auf Mängelbeseitigung klagen?
  3. Lage

    Foto von Dipl.-Physiker Jochen Ebel

    Das Gutachten kann! , muss aber nicht als Schiedsgutachten angesehen werden. Wenn sich der AN sperrt, muss sowieso der Gerichtsweg beschritten werden. Entweder beschreitet der AN den Gerichtsweg, weil er Ihren Einbehalt trotz der Mängel haben will (kommt vor) oder Sie, weil Sie die Mängel beseitigt oder Geld zurück haben wollen.

    Bei nicht vereinbarten Schiedsgutachten steckt der Gutachter in der Klemme: wirkt er als Schiedsgutachter darf er ggf. nicht gefragte Mängel nicht sehen, obwohl ihm diese ins Auge springen, da er zur Unparteilichkeit verpflichtet ist.

    Ist er Ihr Parteiengutachter, muss er alle Mängel, die er erkennt Ihnen sagen bzw. in sein Gutachten schreiben  -  und erst auf dieser Basis können Sie sich um ein Schiedsgutachten bemühen und/oder danach die Fragen für ein selbständiges gerichtliches Beweisverfahren stellen bzw. die Klageschrift vom RA abfassen lassen.

  4. Auf meiner Homepage

    Foto von Josef Schrage

    habe ich etwas dazu aufgeführt.
    Vielleicht hilft Ihnen das ein wenig weiter.
    Freundliche Grüße
    Josef Schrage
  5. RE: Vielen Dank erst mal für die vielen Hinweise, aber ... *schmunzel*

    ... das hört sich schon sehr nach Gericht und Anwalt an. Könnte man sich ggf. auch folgende Vorgehensweise vorstellen.
    1. Ich würde den Sachverständigen bei der IHKAbk. beauftragen.
    Ich würde auch den AN im Vorfeld über meine Aktivitäten
    informieren.
    2. Das Gutachten würde ich zur Stellungnahme dem Auftragnehmer
    vorlegen.
    3. Der AN hat damit die Möglichkeit Mängel zu beseitigen und ich
    muss mich da Gutachten vorhanden nicht mit Ausflüchten
    abspeisen lassen, da ein unabhängiger Fachmann die Mängel
    bezeichnet hat.
    4. Im Streitfall kann ich auf das Gutachten verweisen und es
    wird von allen Parteien anerkannt. Ich würde sogar die vollen
    Gutachterkosten selbst tragen  -  Hauptsache ist, ich kann auf
    Basis des Gutachtens die zeitnahe Behebung sämtlich Mängel
    erzwingen.
    Wäre das auch so denkbar?
    Grüße
    SteHe
  6. Herr Tilgner

    meine unter Punkt 5 beschriebene Vorgehensweise sollte sich mit Ihrer Empfehlung decken, oder!?
    Grüße
    SteHe
  7. Irrtum

    Foto von Dipl.-Physiker Jochen Ebel

    Im Beitrag 5 unter Punkt 4 unterliegen Sie einem Irrtum. "Im Streitfall kann ich auf das Gutachten verweisen und es wird von allen Parteien anerkannt. " Warum sollte es von allen Parteien anerkannt werden?  -  mitnichten, selbst wenn der SV auch die Gegenpartei zur Ortsbesichtigung eingeladen hat und sogar wenn die auch erschienen ist.

    Das Gutachten ist nur von allen Parteien anzuerkennen, wenn vorher! schriftlich! alle Parteien mit der Anerkennung des Schiedsgutachtens durch den vereinbarten SV einverstanden sind  -  und das ist noch nicht mal eindeutig. Bloß Sie haben dann gute Karten vor Gericht, denn die Gegenpartei muss dann eindeutig darlegen, warum sie nicht zur Vereinbarung steht.

    Das soll keine Aufforderung zum Gerichtsweg sein  -  aber Sie sollten bei allen Diskussionen wissen, was Sie erwarten können und was nicht  -  und dann als letztes Mittel den Gerichtsweg wählen, wenn Sie sich sicher sind. Aber selbst da sollten Sie ein mögliches Vorurteil des Gericht einkalkulieren. (Natürlich nur meine Meinung, Sie brauchen einen RA).

  8. Versuch ...

    Versuch Versuchen Sie mal folgenden Weg zu gehen.
    Vor Ablauf der Gewährleistung haben Sie das Recht auf eigene Abnahme vor Ablauf der Gewährleistungszeit. Wird übrigens bei öffentlichen Auftraggebern immer durchgeführt. Sie können diese Abnahme selbst durchführen, oder von einem Dritten, muss kein Sachverständiger sein, durchführen lassen. Zeigen Sie diese erkennbaren Mängel schriftlich an. Somit hemmen Sie den Ablauf der Gewährleistungszeit. Dann muss der AG reagieren.
    Wenn dies nicht fruchtet, dann sofort zum Anwalt. SV bringt gar nichts ohne gerichtl. bestellten Gutachter.
    Gruß Bauag
  9. @Foerg

    Wer soll dann die Fragen für den Gerichts-SV formulieren? Sicherlich nicht der Bauherr und beim Anwalt lassen die Fragen manchmal auch zu wünschen übrig ...
  10. Hallo Herr Förg

    ich danke an dieser Stelle nochmals für die vielen Hinweise. Die Menge der verschiedenen Aussagen zeigt mir, dass es sich hier um ein schwieriges Feld handelt. Ich werde versuchen den Vorschlag von Herrn Förg umzusetzen und zeitlich verteilt über meine Erfahrungen berichten ...
    ... to be continued
  11. Wer soll die Fragen zur Beweissicherung formulieren?

    Foto von Dipl.-Physiker Jochen Ebel

    Die Abnahme und Fragen fürs Gericht sollte schon ein Sachverständiger machen  -  und möglichst ein guter. Der SV muss kein ö.b.u.v.SV sein (auch unter denen gibt es Pfeifen), aber wie gesagt: gut muss er sein.

    Ein Gerichtsgutachter muss! unparteiisch sein, und das heißt er darf! nur die gestellten Fragen beantworten und darf für sich die vielleicht viel größeren Mängel, nach denen aber nicht gefragt wurde, zwar bemerken  -  aber mit keiner Silbe solche Mängel auch nur ansprechen. Sonst darf er von der Gegenseite als parteiisch abgelehnt! werden.

    Und wer kann schverständige Frage besser stellen als ein guter SV  -  und wer kann die sachverständigen Fragen juristisch exakt formulieren: der RA. Deshalb brauchen Sie beide.


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